Freitag, 23. Januar: Seit 17 Jahren hat es nun schon Tradition, dass das „Stranger than Fiction“-Festival in Köln als erstes Festival des Jahres für zwei Wochen in den komplexen Kosmos der Dokumentarfilme entführt. Ebenso traditionell wird das Festival mit einer Produktion aus Nordrhein-Westfalen eröffnet. 2015 fiel die Wahl auf Maurizius Staerkle Drux’ Langzeitdoku „Die Böhms – Architektur einer Familie“, die Ende 2014 bereits auf der DOK in Leipzig ausgezeichnet wurde und danach bei ihren Festivaleinsätzen in Saarbrücken und München ebenfalls umjubelt wurde. Der Tag für die NRW-Premiere am 23. Januar war besonders geschickt gewählt, weil Prof. Gottfried Böhm, zentrale Gestalt in der Dokumentation und als Architekten-Legende wiederum Vater dreier als Architekten tätiger Söhne, just an diesem Tag seinen 95. Geburtstag feiern konnte. Noch vor der Filmprojektion stimmte deswegen der gesamte Saal des proppevollen Weisshaus-Kinos ein Geburtstagsständchen für den Jubilar an.
Auch in den Grußworten zur Eröffnung des Festivals wurde Gottfried Böhm gratuliert und seiner exemplarischen Leistungen gedacht. Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes überbrachte stellvertretend für eine Million Kölnerinnen und Kölner ihre Glückwünsche. „Mit seiner herausragenden Baukunst ist Gottfried Böhm als Kölner weltbekannt“, erläuterte die Bürgermeisterin und wies im Anschluss insbesondere auf den renommierten Pritzker-Preis hin, der Gottfried Böhm 1986 in London überreicht wurde. Sein erster eigenständiger Bau sei 1947 in Köln „Madonna in den Trümmern“ gewesen, und selbst 68 Jahre später behaupte der Star-Architekt von sich selbst, dass er ohne Arbeit nicht leben könne. Davon konnten sich die begeisterten Zuschauer anschließend bei der Filmvorführung selbst ein Bild machen, da Maurizius Staerkle Drux den Familienpatriarchen rund zwei Jahre lang mit der Kamera begleitet hatte und dabei auch immer wieder dessen ungebremste Kreativität, seinen Arbeitseifer und sein nicht nachlassendes Talent einfing. Ein schweres Los insbesondere für seine drei Söhne, die ebenfalls als Architekten tätig sind und sich in ihrer Arbeit immer mit dem Werk ihres Vaters vergleichen lassen müssen. Dabei hat Peter Böhm u.a. in Köln das Stadthaus und die Kölnarena entworfen, sein Bruder Paul ist für die Architektur der Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld verantwortlich, die noch auf ihre Einweihung wartet. Und Stephan Böhm, der älteste der Brüder, ist mittlerweile als Architekt in China tätig.
Matthias Kremin, Programmleiter Kultur beim Westdeutschen Rundfunk, der als Koproduzent an der Realisierung des Films beteiligt war, konnte es nach eigenen Worten kaum glauben, dass es „bislang noch keinen längeren Film über die Böhms gab“, obwohl sie doch als internationales Markenzeichen weit über die Grenzen der Stadt Köln hinaus bekannt seien. Für Kremin ist das Besondere an Staerkle Drux’ Film, dass man „anderthalb Stunden am Kaffeetisch der Familie sitzt und hautnah dabei ist, wenn Ideen entstehen und über Architektur diskutiert wird.“ Der Regisseur selbst bestätigte dies nach der Filmvorführung und bedankte sich insbesondere für das Vertrauen und „die lange Zeit, in der ich mit der Kamera bei allem dabei sein durfte“. Stellvertretend für alle anwesenden Brüder und seinen „Boss“, Vater Gottfried Böhm, gab Paul Böhm den Dank an Maurizius Staerkle Drux zurück: „Ich bedanke mich für das Interesse an unserer Familie, wir sind natürlich sehr stolz auf das Ergebnis.“
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