Am Freitag zeigte das Kinder- und Jugendzentrum „Glashütte“ in Porz im Rahmen der Kölner Kino Nächte in einer familiären Atmosphäre die Preisträger und Nominierten des deutschen Kurzfilmpreises. Den Zuschauern wurden Sozialdramen über junge Eltern und Mockumentaries über Knetgummifiguren präsentiert. Der Animationsfilm „Sonntag 3“ von Jochen Kuhn stach dabei besonders hervor: Der unscheinbare Jochen geht eine zum Scheitern verurteilte Beziehung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel ein. Kuhn nutzt für seine Erzählung keine bunten Disney- und Pixarbilder, sondern düstere, an Ölgemälde erinnernde Farben. Auch wenn sich Kuhns Figuren kaum bewegen, entwickelt er durch seine Dialoge, seine eigenwillige Animationsart mittels abstrakter Bildcollagen und der skurrilen Grundidee eine ganz eigene Dynamik.
Das zweite Kurzfilmprogramm an diesem Abend wurde kurzfristig wegen Schlechtwettergefahr ins Odeon verlegt. Trotzdem fand sich ein zahlreiches und vor allem junges Publikum ein. Den Abend leitete die „Filmbrücke“, ein Zusammenschluss aus den sechs Medienschaffenden und Cineasten Nikolas Jürgens, Johannes Hensen, Laura Solbach, Christine Bernau, Roman Roitmann und Thomas Disch. Jeder präsentierte einen ausgewählten Kurzfilm und entdeckte dabei echte Perlen deutscher Nachwuchsfilmer, die im Mainstream-Kino leider kaum geboten werden.
„Das Märchen von einer unmöglichen Stelle im Universum“ erzählt die Geschichte der neunjährigen Prinzessin Helene (Lotta Kraft), die ihrem goldenen Käfig und damit auch ihrem Vater, dem König (Mark Waschke) entflieht und dabei auf den kleinen Paul (Derin Akyaman) trifft. Der 20-minütige Kurzfilm spielt in einer Märchen-Parallelwelt und wird von einem charmanten, selbstgebastelten Puppentheater begleitet, das sich nahtlos in das Geschehen einfügt.
Der Regisseur Markus Wulf und die Produzentin Su-Jin Song des Films waren anwesend. Beide berichteten von den Schwierigkeiten, Fördergelder für den Film zu beschaffen und den Anstrengungen, gegen die Strukturen der Fördergeldvergabe anzukämpfen, denn die zuständigen Stellen bemängelten häufig die angeblich fehlende Relevanz des märchenhaften Stoffes.Trotzdem blickten Wulf und Song mit großem Enthusiasmus in die Zukunft: „Das Feedback, das wir bekommen, ist ein sehr dankbares. Wir denken, dass wir solche Filme weiterhin noch sehr gern machen möchten und dafür würden wir auch weiterhin kämpfen.“ Auch das folgende Programm machte deutlich, dass hier Filmemacher am Werk waren, die abseits von Problemfilmen und Schenkelklopfer-Komödien arbeiteten.
Ein Paradebeispiel dafür ist der 15-Minüter „Nashorn im Galopp“, der schon zuvor in der Glashütte und auf dem Filmfestival „.mov 2014“ für Begeisterung sorgte. Regisseur Erik Schmitt, der zusammen mit Stephan Müller das Drehbuch geschrieben hat, erzählt von Liebe, Freundschaft und Eifersucht: Der sensible Bruno zieht einsam durch Berlin, bis er auf Freigeist Vicky (Marleen Lohse) trifft. Sie entpuppt sich als sein perfekter Gegenpart, er hadert aber so lange damit, ihr seine Gefühle zu gestehen, bis es fast zu spät ist. Mit fantasievoller Stop-Motion Animation, Witz und Gefühl bereitet Schmitt die augenscheinlich simple Grundkonstellation auf, ohne dabei rührselig zu sein. Die Stadt Berlin macht er zu einem eigenen Charakter: Graffiti, Straßenschilder und Statuen werden lebendig und interagieren mit den Protagonisten des Films. Schmitt regt auf diese Weise die Zuschauer an, ihre Umwelt mit neuen Augen zu sehen.
In diesen vielversprechenden Regie-Talenten spürte man einen Hauch Wes Anderson und eine Prise Michel Gondry, ohne dass ihre Kurzfilme wie eine billige Kopie dieser Regisseure wirkten. Vielmehr entwickelten die Nachwuchsfilmer ihre eigene Filmsprache und ließen Schauspiel, Drehbuch, Soundtrack und Einfallsreichtum in einer tadellosen Symbiose zusammenfließen.
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