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Findet digital nicht immer besser: Christian Meyer

Die vierte Dimension

26. März 2015

Wie analoger Mehrwert beim Kinobesuch entstehen kann – Vorspann 04/15

Als Filmkritiker geht man anders ins Kino. Anders natürlich im Sinne der Einstellung: Man guckt anders, nimmt anders wahr und verarbeitet den Film danach anders als dergewöhnliche Kinogänger. Das ist die Grundlage der Arbeit. Anders aber auch im ganz profanen Sinn: nicht abends mit Popcorn, Getränk und im vollen Kinosaal, sondern morgens gemeinsam mit ein paar Kollegen, die sich in den spärlich besetzten Sitzreihen räkeln. Man könnte monieren, dass an einem grauen Morgen im leeren Kinosaal die Stimmung fehlt, man könnte sich aber auch freuen, dass konzentrierte Ruhe herrscht. Geschmackssache!

Zumindest, dass im Kinosaal das Handy aus ist, sollte aber nicht Geschmackssache, sondern Konsens sein. Im Arthaus-Kino klappt das in der Regel, von Multiplexen hört man da anderes. Nun kommt genau aus dieser Richtung eine Art Aufforderung zur Smartphone-Nutzung im Kinosaal. Eine große deutsche Kinokette testet gerade die Kino App „Cinime“, die einen Mehrwert des Kinobesuchs verspricht. Das liest sich dann in der Pressemeldung so: „Durch ein akustisches Wasserzeichen entsteht die Verbindung zwischen dem Smartphone des Zuschauers und der Kinoleinwand. Zu den Inhalten, die auf dem Smartphone erscheinen, gehören z.B. Film-Quizes, Gewinnspiele oder Sonderangebote ausgesuchter Markenpartner.“ Matthias Schweighöfer ist anscheinend ganz begeistert von der App und bietet sogleich ein Gewinnspiel zu seinem neuen Film „Der Nanny“ via Cinime an. Das mag noch niemandem weh tun, aber man stelle sich Ähnliches im Vorprogramm der oscarprämierten Edward-Snowden-Doku „Citizenfour“ vor: erst für Gewinnspiele oder Rabatte im Vorprogramm Daten liefern und sich dann von Snowden über Datenmissbrauch aufklären lassen...

Noch ist die Nutzung wohl auf das Vorprogramm – sprich: Trailer und Werbung begrenzt. Aber es wird kaum möglich sein, die Handy-Nutzung im Werbeteil zu unterstützen und dann im Hauptprogramm das Gegenteil zu fordern. Wahrscheinlicher ist sogar, dass sich das Angebot bald tatsächlich auf den Hauptfilm ausdehnen wird. So wie es beim Smart-TV ja auch schon längst den roten Knopf für Hintergrundinfos, Gewinnspiele und Begleitprogramme gibt. Längst ist klar: Auch am heimischen Fernseher werden fleißig Daten abgegriffen. Wir plädieren sehr für mobile Technologien: Checken Sie das Kinoprogramm auf choices.de, lesen Sie dort unsere Kritiken, Interviews und Hintergrundtexte. Während der Vorführung sind wir aber uneingeschränkt Befürworter des analogen Mehrwerts. Den gibt es im Kino tagtäglich, und gerade in Köln ist die Szene besonders engagiert. Nicht nur bei den vielen kleineren und größeren Festivals und Filmreihen, sondern auch bei den vielen Sondervorführungen mit Hintergrundgesprächen mit Experten und Filmemachern. Wie in jedem Monat listen wir all diese Vorführungen in unserem Kinokalender für jeden Tag auf. Neben sehr persönlichen Kinoerlebnissen und informativen Gesprächen haben solche analogen Rahmenprogramme mit Gästen noch einen unschätzbaren Vorteil: Ihre persönlichen Daten bleiben geheim.

CHRISTIAN MEYER

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