Es war ein ungewöhnlicher Konzertabend, der das Publikum beim vergangenen Gürzenich-Konzert erwartete: Auf dem Programm standen sowohl Werke des eher selten zu hörenden, dafür aber nicht weniger bedeutenden polnischen Komponisten Karol Szymanowski und – Wolfgang Amadeus Mozarts viertes Violinkonzert. Zu Szymanowskis bekanntesten Werken gehört die Oper „Król Roger“, in der ein schöner junger Hirte den Hof von König Roger verwirrt, indem er von einem anderen Gott predigt. Doch statt ihn zu bestrafen, verfällt der König der Schönheit des Jünglings, der sich als Dionysos entpuppt. Im Auftrag des Gürzenich-Orchesters entstand nun eine Suite mit Auszügen aus der Oper, die ihre deutsche Erstaufführung feierte.
Mit voll besetztem Orchester überzeugten die Musiker, wobei neben den starken Streichern vor allem die hervorragenden Bläser sowie das umfangreich vorhandene Schlagwerk positiv auffielen. Besonders reizvoll wirkten die Orientalismen in Szymanowskis Werk und auch die stark tänzerischen Rhythmen, die vom Klangteppich der Streicher unterlegt wurden. Facettenreich und sehr differenziert setzten die Musiker das Eröffnungswerk des Abends unter der Leitung von Harry Ogg, der kurzfristig für Nicholas Collon eingesprungen war, um. Entführt Szymanowski in seiner Oper in antike und teils auch orientalisch anmutende Klangwelten, so entspricht seine 4. Sinfonie op. 60, die auch als Sinfonia concertante bezeichnet wird, einem eher polnischen Trend, mit dem Szymanowski den polnischen Nationalstolz unterstützen wollte. Seiner Sinfonie hat er hier ein Klavier hinzugefügt, das das Werk fast schon zu einem kleinen Klavierkonzert werden lässt.
Mit diesem ungewöhnlichen Werk feierte der französische Pianist Cédric Tiberghien sein Debüt beim Gürzenich-Orchester. Der weltweit agierende Musiker ist bekannt für seine Vorliebe für eher seltenes Repertoire, was sich auch hier wieder zeigte. Fulminant wurde das Werk im ersten Satz eröffnet mit hochvirtuosen Passagen im Klavier, die Tiberghien ohne jede Schwierigkeit bravourös meisterte. Als Gegenpol dazu begann der langsame Mittelsatz geradezu kammermusikalisch mit nur wenigen Begleitinstrumenten. Hier zeigte sich erneut, wie perfekt Solist und Orchester harmonierten. Treibend ging das Werk mit dem Finalsatz „Allegro non troppo, ma agitato ed ansioso“ zu Ende, indem nicht nur Tiberghien wieder besonders positiv auffiel, sondern auch die Blechbläser-Sektion des Orchesters.
Zwischen diesen beiden gewaltigen Werken des Polen stand Wolfgang Amadeus Mozarts Violinkonzert Nr. 4 – und mit ihm die junge niederländische Geigerin Noa Wildschut, die bereits Ende 2018 ihr Debüt beim Gürzenich-Orchester hatte. Nach Szymanowskis klangvoller Suite war dies eine wahre musikalische Verschnaufpause: Wunderbar klar und galant setzte die Achtzehnjährige das Werk um und flirtete dabei sichtbar mit dem Orchester. Der Flirt zeigte Wirkung, denn spätestens beim Andante trug das Orchester die Niederländerin auf Händen. Leichthändig wie bereits der Kopfsatz und mit viel Charme schlossen Wildschut und das Gürzenich-Orchester unter der Leitung von Harry Ogg das Werk Mozarts ab und ernteten viel Applaus.
Gürzenich-Orchester Köln, H. Ogg: Mozart, Szymanowski: „Grenzenlos" | Di 14.1. 20 Uhr | Kölner Philharmonie | 0221 22 12 84 00
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