Waschmaschinen, Autogase, Riesendampfer und Urwaldrodung. Es gibt vieles, bei dem für den umweltbewussten Menschen heute die Warnlichter angehen. Täglich kann er sich für Stofftaschen und Rad oder gegen Flugobst entscheiden. Kaum jemand aber denkt an den ökologischen Fußabdruck, wenn das Lieblingslied aus den Kopfhörern dröhnt. Bei den dahinterstehenden Musikgrößen, die Bekanntheit und Einkommen hauptsächlich durch Touren sichern, ist der aber gewaltig. Zusätzlich zum guten Willen auch noch ökologisch korrekt zu handeln, ist für die Künstler:innen gar nicht so einfach. Die groß beworbenen Live Earth-Konzerte, die 2007 als Spendenaktion und Aufruf zum Klimaschutz organisiert wurden, verursachten ironischerweise rund 100.000 Tonnen zusätzliche CO-2-Emission. Die Band Coldplay, die seit 2019 an der Umsetzung von klimaverträglicherenTourneen feilt, wird vorgeworfen, sie seien Opfer von Greenwashing, da Kooperationspartner wie BMW oder das finnische Neste Marketingstrategien vor echtes Umweltbewusstsein im operativen Geschäft setzen.
Manu Delago, Perkussionist und Komponist aus Österreich, geht die Problematik so hand- wie sattelfest an und tritt kräftig in die Pedalen. Nach Jahren internationaler Touren mit Björk, Anoushka Shankar oder dem London Symphony Orchestra suchte der Grammy-nominierte Musiker, der Klassisches aus dem Salzburger Mozarteum und Jazziges aus der Guildhall School of Music & Drama in London kombiniert, eine umweltfreundlichere Alternative zu Autobahnen, Flughäfen und Megahotels. Unter dem Titel „ReCycling Tour“, radelte der Handpan-Pioneer mit Ensemble bereits 2021 quer durch Österreich, Süddeutschland und Südtriol. Gerade bestreitet die diesjährige dreiköpfige Bandbesetzung die ersten Etappen der 1.500 Kilometer langen Tour von Innsbruck über München bis hoch nach Amsterdam – nach dem Motto der neuen Single „From the Alps to the North Sea“. Über den Live Tracker auf ihrer Website recyclingtour2023.com lässt sich verfolgen, dass die Band – mit ihren speziell angefertigten Anhängern für Instrumente und Equipment – während ich diesen Text verfasse, Augsburg gen Westen verlässt, mit 12,98 km/h und 264 km in den Beinen. Die Akkus für Licht- und Soundtechnik werden während der Fahrt über Solarmodule aufgeladen, Unterkunft und Verpflegung wird über die Kooperation mit regionalen, kleinen Anbietern sichergestellt. Die sonst vermüllten Backstagebereiche in den einzelnen Locations sollen plastikfrei bleiben.
Auch Köln wird Schauplatz für eines der rund 20 Konzerte. Am 20. Juni treten Manu Delago (Handpan, Schlagzeug), Isa Kurz (Violine, Piano, Gesang) und Alois Eberl (Posaune) im Stadtgarten auf und setzen ihren experimentellen Sound frei, der zwischen Neoklassik, Jazz, Weltmusik und atmosphärischer Elektronik oszilliert. Ein Highlight bleibt Delagos virtuoses Spiel an dem erst 20 Jahre alten Instrument Hang, der obertonreichen, stählernen „Klangskulptur“ aus der Schweiz.
Letztlich will Delago nicht nur ein umweltbewusstes Zeichen innerhalb der Musikindustrie setzen, sondern jede:n Einzelne:n zu einem nachhaltigeren Leben inspirieren. Das Publikum ist explizit eingeladen, öffentlich oder zu Rad und Fuß anzureisen.
Manu Delago ReCyclingtour | Di 20.6. 20 Uhr | Stadtgarten | www.stadtgarten.de
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