Neuinszenierungen und Einspielungen von Wagner-Opern gehören ins Wagnerjahr – dafür feiern wir die runden Festjahre. Nun birgt der Fall Wagner allerdings eine spezielle Situation: Der Komponist sorgte zu Lebzeiten bereits selbst mit Gründung einer eigenen Festspiel- bzw. Weihestätte auf dem berühmten grünen Hügel für Gedenken über den Tod hinaus. Nicht nur die Musik war dabei spektakulär, sondern auch die „menschliche“ Seite der Familie ließ permanent die Wogen höher schlagen: in Braun, in Pink, in Streitereien und Herr- bzw. Frauschaftskämpfen.
Wagner selbst hatte die abgründige Familiengeschichte begründet: Während Stardirigent Hans von Bülow für das Werk seines Lehrers Richard Wagner eintrat, kümmerte sich Wagner im Gegenzug um die Familienplanung seines Schülers Hans, indem er dessen Gattin Cosima, Liszts Tochter, hofierte; Startschuss für unruhige Zeiten.
Friedelind ward Wagnersohn Siegfrieds Kind genannt, Tochter auch der berüchtigten Winifred, die noch 1975 öffentlich ihre Verehrung für den Führer bekannte. Die Kölner Musikwissenschaftlerin Eva Weissweiler hat jetzt eine Biographie über die einzige antifaschistische Wagnerenkelin Friedelind geschrieben, voller Vorfreude auf eine Story über eine starke Frau, deren Strahlen sich bei der Recherche leider verdunkelte. Weissweiler hat mangels Emanzipations-Scheuklappen diese neue Wendung akzeptiert und dankenswerter Weise das gängige Geschichtsbild dieses Familienkapitels korrigiert. Dabei entstand eine spannende Spurensuche nach einer zwar für ihre Zeit wirklich repräsentativen Frau, aber keiner Heldin – am Rande des Wagner-Geburtstages.
Dirigent Christoph Spering sucht in diesem Jahr die Begegnung mit dem Kapellmeister Wagner. Er hat die aufwändige Bearbeitung einer Gluck-Oper durch den Musikus eingespielt, ein Beispiel, wie Wagner ein Werk des Opernreformators Gluck in sein eigenes reformatorisches Gedankengut überführt. Ein Besuch im Studio ließ die unglaublichen Probleme einer solchen Schatzhebung ersichtlich werden: Was ist Wagner, was ist Gluck, wie wirkt sich die veränderte Instrumentierung auf die Solostimmen aus, wie auf die Tempi? „Iphigènie en Aulide“ sorgte 1774 in Paris für Unruhe, und Wagner schmiedete 1847 die einstige Waffe gegen die italienische Nummernoper nochmals neu als junger Königlich-Sächsischer Kapellmeister, noch ein Revolutionär nur auf der Opernbühne – ein Seitenblick auf das Geburtstagskind.
Für Wagner standen Wort und Ton gleichbedeutend nebeneinander. Deshalb sind nur wenige instrumentale Musiken entstanden. Aber vor und in den Opern selbst sind es die Ouvertüren und Zwischenmusiken, die dank ihrer Leitmotive den Erzählstrang auch ohne Sprache nicht abreißen lassen, neue Figuren einführen oder Hintergründe erleuchten. Marek Janowski hat für ein WDR-Konzert diese Zwischenwerke aufs Programm gesetzt, er gilt als absoluter Fachmann für Wagner – obwohl er in der Oper nicht dirigiert. Als Isolde und Brünnhilde gastiert Bayreuth-Star Petra Lang im Konzert – Wagner ohne Worte ergäbe keine echte Geburtstagsfeier.
Eva Weissweiler: Erbin des Feuers, Friedelind Wagner, Eine Spurensuche I Pantheon
Christoph Spering, Chorus Musicus Köln, Das Neue Orchester: Christoph Willibald Glucks „Iphigenie in Aulis“, bearbeitet von Richard Wagner, Oehms Classics im Herbst 2013
Konzert am 20.5. I Kölner Philharmonie
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