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Jutta Shaik (l.) erhielt im April 2024 die Bürgermedaille der Stadt Frankfurt a.M. Das Bild zeigt sie mit der Bürgermeisterin Nargess Escandari-Grünberg (Bündnis 90/Die Grünen)
Foto (Ausschnitt): Omas gegen Rechts

„Egal wer die Brandmauer zerstört, wir werden ihn kritisieren“

30. April 2025

Teil 3: Interview – Omas gegen Rechts: Jutta Shaikh über die Verteidigung der Demokratie

choices: Frau Shaikh, im neuen Bundestag sitzen noch mehr Vertreter:innen der AfD. Wie blicken Sie darauf? 

Jutta Shaikh: Ich sehe das mit sehr viel Besorgnis, denn das wird das Klima im Bundestag verändern. Die Sprache wird noch rauer werden, noch unsachlicher mit noch mehr Hass und Hetze und es wird der AfD eine noch größere Bühne für ihre populistischen und demokratiefeindlichen Parolen geben. Außerdem haben sie auch Mitarbeiter, von denen viele sehr fragwürdig und auch teilweise zu rechtsextremen Organisationen oder Bewegungen zuzurechnen sind. Auch das ist in meinen Augen besorgniserregend. 

Welche Konsequenzen befürchten Sie?

Ich befürchte – aber ich hoffe, dass es nicht eintritt –, dass die AfD versuchen wird, die Demokratie noch stärker von innen auszuhöhlen. Und sie wird versuchen, durch die Bühne, die ihr gegeben wird, noch mehr Ängste bei den Leuten zu schüren. Sie gibt keine konstruktiven Lösungen, sondern sie findet nur Schuldige bei den Schwächsten, die sich nicht wehren können und die auch nicht schuld sind für die Probleme, die unser Land hat.

„Eine weitere Verharmlosung" 

Ende Februar richtete die Union eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung. Darin wirft sie zivilgesellschaftlichen Organisationen, u.a. den Omas gegen Rechts, vor, unzulässig die politische Willensbildung zu beeinflussen. Wie haben Sie darauf reagiert?

Über diese Kleine Anfrage waren wir sehr enttäuscht und auch entsetzt. Wir erachten sie als einen Einschüchterungsversuch gegenüber zivilgesellschaftlichen Organisationen. Betroffen waren gerade diejenigen, die sich für den Schutz der Demokratie einsetzen und die müsste man eigentlich stärken. Und ja, wir haben uns erfolgreich dagegen gewehrt, auch lautstark. Wir werden uns nicht einschüchtern lassen, dass wir Einfluss auf die politische Willensbildung nehmen. Das ist unser Ziel: Wir sind überparteilich, aber wir sind nicht neutral. Denn gegenüber Demokratiefeinden – und in unseren Augen gehört die AfD dazu – kann es kein Neutralitätsgebot geben, da der Schutz der Demokratie wichtiger ist als die Neutralität. Gott sei Dank wurde das jetzt auch in einem Urteil in Rheinland-Pfalz bestätigt: Dass gegenüber der AfD kein Neutralitätsgebot besteht und es gegenüber Demokratiefeinden nicht gilt. Die Kleine Anfrage war u.a. eine Reaktion auf uns, genauer auf die Kritik zivilgesellschaftlicher Organisationen nach dem Schulterschuss von CDU mit AfD in einer Abstimmung. Es richtete sich aber nicht gegen die CDU, sondern gegen die Aktion, gemeinsam mit der AfD etwas abzustimmen. Denn das trägt zu einer weiteren Verharmlosung und damit zu einer weiteren Normalisierung dieser Partei bei. Man müsste gerade umgekehrt verfahren: Die Verfassungswidrigkeit dieser Partei prüfen und nicht zu einer Normalisierung beitragen zu wollen. Egal wer von welcher Partei die Brandmauer zerstört und wer unsere demokratischen Werte nicht mehr achtet, wir werden ihn kritisieren.

Hat es mit dem umgangssprachlichen „gegen rechts“ im Vereinsnamen zu tun, dass die Union sich offenbar so angegangen fühlt? 

Wir werden häufig danach gefragt, was „gegen rechts“ heißt. „Seid ihr dann links?“ Nein, sind wir nicht. Man müsste sich nur die Mühe machen, sich unsere Grundsätze einmal näher anzuschauen. Da steht eindeutig drin, dass wir jede Form von Extremismus ablehnen, sei es Rechtsextremismus, sei es Linksextremismus oder auch religiösen Extremismus. Eigentlich müsste es also „Omas gegen Rechtsextremismus“ heißen. Die CDU sollte sich vom „gegen rechts“ in unserem Namen nicht angegriffen fühlen. Sie würde sich selbst doch nie als rechts bezeichnen, sondern vielmehr als konservativ, als wertkonservativ.

„Die Linkspartei hat eigene Themen bespielt“

Rückt sachlicher politischer Streit zunehmend in den Hintergrund?

Das wollen wir nicht hoffen. Wir plädieren für Zusammenhalt. Wir haben schwierige Zeiten und die Gesellschaft muss gerade jetzt zusammenstehen. Alle demokratischen Kräfte müssen zusammenhalten und konstruktiv zusammenarbeiten. Politische Auseinandersetzung gehört dazu, aber nicht mit Hass und Hetze, nicht mit populistischen Parolen. Die Narrative der AfD zu übernehmen, hat in unseren Augen der CDU sehr geschadet, denn die Leute sagen, „dann kann ich gleich das Original wählen“. Man muss eigene Themen belegen. Eine Partei, die das bei der letzten Bundestagswahl erfolgreich gemacht hat, waren die Linken. Sie haben es geschafft, aus dem Nichts heraus wieder an Stärke zu gewinnen. Egal, ob man die linke Politik begrüßt oder nicht, aber es war die Partei, die am stärksten eigene Themen bespielt hat. Das ist auch von ihren Wählern anerkannt worden. Und Politiker müssen zuhören: Was die Bevölkerung sich wünscht, wo die Probleme liegen, es nicht auf Nebenschauplätze abwälzen und nicht Narrative der Rechtsextremen benutzen. Denn auch, wenn aktuell die Zahlen der Asylbewerber stark zurückgegangen sind, heißt das aber doch nicht, dass wir nicht weiterhin die gleichen Probleme haben, was Infrastruktur, Bildung oder was Wohnungen anbelangt. Da werden Asylbewerber zu Schuldigen für Dinge erklärt, für die sie gar keine Schuld tragen. Weil die Ursachen eben ganz woanders liegen.

„Extreme Einschüchterungsversuche“

Hat die gesellschaftliche Stimmung sich verändert?

Ja, die gesellschaftliche Stimmung hat sich verändert. Wir merken das schon in einer Stadt wie Frankfurt, die eigentlich sehr offen und sehr bunt ist. Trotzdem sind auch hier hetzerische, hassvolle Töne hörbar. Wir bekommen auch viele Hassmails an unsere Vereinsadresse. Sie sind zum Teil unterirdisch und sehr stark sexuell gewaltbetont.

Sie erschweren Ihre Arbeit? 

Ja, natürlich. Sie lassen einen sicherlich nicht kalt. Gerade in der Politik wird das deutlich: Sehr viele Politiker treten einfach nicht mehr an, weil sie bedroht werden. Im kommunalpolitischen Bereich ist es noch häufiger und stärker als in der Bundespolitik. Wir bei den Omas gegen Rechts haben auch Gruppen in den östlichen Bundesländern, in denen die AfD stärker vertreten ist und da gibt es bereits extreme Einschüchterungsversuche gegenüber zivilgesellschaftlichen Organisationen. Diese gehen noch weit darüber hinaus als die Kleine Anfrage der CDU und zeigt, wie gefährlich es werden kann. Soziale Medien tragen natürlich auch noch dazu bei, Bubbles entstehen zu lassen und Fake News weiter zu verbreiten. Wenn man häufig genug die Lüge laut genug heraus sagt, dann glaubt man sie vielleicht irgendwann auch selbst. Diejenigen, die das hören, halten es dann für wahr, auch wenn es gar nicht wahr ist. Sie sprechen zwar von Meinungsfreiheit, aber lassen gar keine andere Meinung zu. Sie wollen nur Schuldige haben.

„ Jugendarbeit nicht kürzen, sondern weiter aufbauen“ 

Unterschätzen insbesondere jüngere Menschen die AfD? 

Ja, deshalb denke ich auch: Sie machen das sehr geschickt. Sie gehen nicht auf die wirklich krassen Themen wie das ethnopluralistische, völkische Gedankengut ein. Laut Herrn Krah wären echte Männer rechts. Besonders junge Männer fühlen sich davon angesprochen. Sie sind vielleicht verunsichert. Gerade die jungen Menschen haben seit Corona viele Ängste entwickelt und die Hoffnung in die Zukunft vielfach verloren. Diese Ängste schürt die AfD noch weiter. Sie bietet ihnen dann ganz einfache Lösungen an, die zwar keine echten sind, aber bestimmte junge Menschen, die sich abgehängt oder zurückgesetzt fühlen, anspricht. Glücklicherweise hat sich das Bild bei den jungen Frauen inzwischen wieder gedreht, doch ich denke, alle Parteien sind aufgefordert, weiter daran zu arbeiten, ganz real Begegnungsplätze, Austauschplätze für junge Menschen zu schaffen – nicht nur auf Tiktok. Man muss die jungen Menschen wieder zu sich heran bringen. Jugendarbeit darf nicht gekürzt, sondern muss weiter aufgebaut werden. Das gleiche gilt für politische Bildungsarbeit: Man muss sie intensivieren und zwar durchgehend – vom Kindergarten bis zum Schulabschluss, sogar noch bis in die Uni. Demokratie muss erlernt und auch geübt werden, über eine Teilnahme, die über Worte hinausgeht. Man könnte junge Menschen sehr gut wieder einbinden. Die anderen Parteien müssen das wieder mehr versuchen. Denn an dieser Stelle ist die AfD in ein Vakuum vorgestoßen. Und das muss man ihr wieder wegnehmen.

Interview: Nina Hensch

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