Donnerstag, 18. September: Obwohl das Afrika Film Festival Köln seit mehr als 30 Jahren besteht und sich zum größten seiner Art in Deutschland entwickelt hat, war es in diesem Jahr ein Drahtseilakt, dass es überhaupt stattfinden kann. Bei den Eröffnungsfeierlichkeiten zur 22. Ausgabe, die wie gewohnt im Filmforum stattfanden, betonte Moderatorin Azizé Flittner deswegen, dass man den Verantwortlichen und der Politik eine Botschaft senden müsse: „Wie kann es sein, dass ein Festival, das in den Jahren 2018 und 2024 zum besten Kulturereignis Kölns gewählt wurde, trotzdem in seiner Durchführung so unsicher geworden ist? Nur ein Drittel der Fördergelder wurde bewilligt und die Mitarbeiter müssen unzählige unbezahlte Überstunden leisten!“ Dass das Interesse am Afrika Film Festival auch 2025 ungebrochen ist, bewies der volle Kinosaal am Eröffnungsabend. Dort wurde das Publikum zunächst von den lateinamerikanischen Rhythmen der Kubanerin Mirta J. Wambrug auf die elf prallvollen Festivaltage eingestimmt, in denen 80 Filme mit rund 40 internationalen Gästen zur Aufführung gelangen und mit dem Publikum diskutiert werden. Der diesjährige Schirmherr des Festivals, der aus Lesotho stammende und mittlerweile in Berlin lebende Filmemacher Lemohang Jeremiah Mosese, konnte nicht persönlich anwesend sein, schickte aber eine Videobotschaft. Darin erklärte er: „Kino ist niemals neutral. Es ist ein Ort, an dem die Wahrheit im Verborgenen leben und trotzdem gesehen werden kann. Die hier gezeigten Filme müssen von vielen Menschen gesehen und ihre Aussagen bezeugt werden. Ich heiße Sie zu den Filmvorführungen und Diskussionen willkommen, bei denen der Mut der FilmemacherInnen den Weg erleuchtet.“
Überbleibsel der Kolonialzeit
Zur Einstimmung wurde noch der senegalesische Kurzfilm „Retour au Cinéma Vox“ von Amina Awa Niang gezeigt, die ebenfalls aus unvorhergesehenen Gründen nicht nach Köln kommen konnte und eine Videobotschaft sendete. Ihr liebenswerter Film erzählt von zwei Teenagern, die eigentlich aus verkrachten Familien stammen und mit einer Herzblutaktion die Jahrzehnte andauernde Fehde ihrer Großväter beenden können. Der große Eröffnungsfilm des Festivals war dann nach einer kurzen Pause mit Umtrunk der kenianische Film „How to Build a Library“ von Maia Lekow und Christopher King. Auch er passte wunderbar zum Fokus des diesjährigen Festivals, das „Voices for Change“ lautet. Denn der Dokumentarfilm widmet sich der Umgestaltung einer 1931 von britischen Kolonialisten gestifteten Bibliothek in Nairobi, die auch nach der Unabhängigkeit Kenias nie über ihre kolonialen Bestände hinausgekommen war und unter städtischer Leitung mehr und mehr verwahrloste. Die beiden Aktivistinnen Shiro und Wachuka haben es sich seit 2017 zur Aufgabe gemacht, die McMillan Memorial Library und ihre beiden angeschlossenen Bibliotheken wieder auf Vordermann zu bringen und endlich auch Bücher von afrikanischen AutorInnen in den Bestand aufzunehmen, um die Einrichtung endlich in der Lebensrealität der Kenianer des 21. Jahrhunderts ankommen zu lassen. Maia Lekow erzählte beim Gespräch nach der Filmprojektion, dass sie und Christopher King die beiden Protagonistinnen bereits seit vielen Jahren kennen. Diese wollten zunächst im McMillan eine Buchmesse veranstalten und kamen auf Lekow und King mit der Bitte zu, dafür einen Social-Media-Clip zu erstellen. Heraus kam dann aber in den nächsten sieben Jahren die Dokumentation „How to Build a Library“.
Ein Film über Macht
King glaubte zunächst, dass die Dreharbeiten ein oder zwei Jahre dauern würden. „Wir hatten für jedes Jahr, das verging, bereits ein passendes Filmende, drehten aber trotzdem weiter. Die beiden kämpfen noch immer für ihr Projekt, wir haben den Film nun aber abgeschlossen, um der Welt zu zeigen, was diese beiden jungen Frauen da leisten“, so der Regisseur. Da im Film auch immer wieder die Beziehungen und Strategien der beiden gegenüber den Behörden und den städtischen Bibliotheksangestellten thematisiert werden, gab es zunächst Bedenken, ob ihnen der Film nicht auch schaden könnte. „Aber hier gibt es nichts, was es zu beschützen galt. Der Film ist ein aufrichtiges Porträt darüber, mit was die beiden zu kämpfen haben“, fügte Christopher King hinzu. Für Maia Lekow ist hier am Ende ein Film entstanden, der „starke afrikanische Frauen zeigt, die es mit den Regierungsinstanzen aufnehmen“. Für King handelt es sich hierbei um einen Film über Macht. Er kommentierte am Abend: „Das Wissen wurde den Menschen während der Kolonialzeit vorenthalten, weil bis 1958 nur weiße Menschen Zugang zur Bibliothek hatten. Im Film sieht man, wie sich die Machtverhältnisse nun verschieben.“ Maia Lekow sieht das ebenso. Für sie war es hochemotional mitzuerleben, wie ein Ort, der so stark mit kolonialen Strukturen verbunden war, nun zu einem Raum für Gespräche und Debatten über die kenianische Geschichte geworden ist. Nachdem „How to Build a Library“ seine Weltpremiere auf dem Sundance Film Festival gefeiert und nun das 22. Afrika Film Festival Köln eröffnet hat, steht im Oktober auch endlich seine Premiere in Nairobi an.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Eine sympathische Bruderkomödie
„Ganzer halber Bruder“ im Cinedom – Foyer 09/25
Jung-Bäuerinnen bei der Arbeit
„Milch ins Feuer“ im Odeon – Foyer 08/25
Im Abschiebegefängnis
„An Hour From the Middle of Nowhere“ im Filmhaus – Foyer 06/25
Über die Todesangst
„Sterben ohne Gott“ im Filmhaus – Foyer 03/25
Mit Trauer umgehen
„Poison – Eine Liebesgeschichte“ im Odeon – Foyer 02/25
Bittersüße Dystopie
„Ein schöner Ort“ in der Aula der KHM – Foyer 01/25
Zeit-Fragen
Symposium der dokumentarfilminitiative im Filmhaus – Foyer 01/25
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Alles für die Musik
Publikumspremiere von „Köln 75“ im Cinenova – Foyer 03/25
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24