Die Internationalen Stummfilmtage in Bonn versammeln alljährlich im August eine Auswahl davon, was Ende des 19. Jahrhunderts aufflackerte in Schaubuden, im Berliner Wintergarten oder im Grand Café in Paris – und später in den Laden- und Saalkinos über sich hinaus wuchs bis hinein in die großen Filmpaläste der 1920er Jahre: Stummfilme. Filme, die schon früh die komplette erzählerische Spannbreite abdeckten, wie wir sie heute aus unseren Kinos kennen. Filme, die noch ganz anders begeisterten als das, was wir heute auf der Leinwand erleben. Nicht zuletzt, weil es neu war und noch so viel zu erfinden und entdecken gab. Viele dieser Schätze sind erhalten geblieben, und einige davon bekommen wir ab und zu restauriert auf Arte zu sehen. In ihrer vollen Pracht aber entfalten sie sich natürlich nur dort, wo Filme hingehören: auf der Leinwand. Die Internationalen Stummfilmtage empfangen ihr Publikum traditionell bei freiem Eintritt vor der Open Air-Leinwand im Arkadenhof der Universität Bonn.
Elf Tage im August – seit vierzig Jahren richtet der Förderverein Filmkultur Bonn e.V. als Veranstalter die Internationalen Stummfilmtage aus. Und die haben sich inzwischen mit bis zu 25.000 Besuchern zum besucherstärksten Stummfilmfestival Europas gemausert. Kuratiert von den Filmwissenschaftler:innen Eva Hielscher und Oliver Hanley, kommen hier Klassiker und unbekanntere Filme, die es wiederzuentdecken gilt, erneut auf die Leinwand. Die Bandbreite reicht von Slapstick, Satire und Verwechslungskomödie bis zum Melodram, von Thriller und sozialkritischem Kino hin zuAvantgarde und Surrealismus. So begegnen wir Laurel & Hardy wieder, entdecken aber ebenso ihre weiblichen Counterparts Anita Garvin und Marion Byron, die als Komikerinnen die Leinwand unsicher machen („A PairOf Tights“). Auf Augenhöhe ist auch Florence Turner, die in „The Boatswain‘s Mate“ einem übereifrigen Verehrer zeigt, wo der Hammer hängt. Und 1913 tobt sich Regisseurin Lois Weber stilistisch bahnbrechend in ihrem Thriller „Suspense“ aus. Darüber hinaus gibt es mit „Forgotten Faces“ das erste Werk von Produzent David O. Selznick („Vom Winde verweht“) zu sehen. Das Festival zeigt unter anderen die erste „Buddenbrooks“-Verfilmung (1923) und als Weltpremiere die neue digitale Restaurierung der „Sensation im Wintergarten“.
Was aber wäre der Stummfilm ohne Ton: Wie üblich begleitet eine Scharinternationaler, filmaffiner Musiker:innen jedes Werk live. Neben alten Hasen wie Wilfried Kaets, Stephen Horne oder Günter Buchwald versehen zum Beispiel Katharina Stashik und Dorothee Haddenbruch alias „M-Cine“ das stumme Bild mit klassisch musikalischem Gerüst, Improvisation und Schreibmaschine. Außerdem dabei sind das Duo Cellophon und die Violinistin Sabrina Zimmermann, die seit 1992 Stummfilme mit Kompositionen ihres bekannten Vaters Aljoscha Zimmermann untermalt.
Internationale Stummfilmtage | 7. - 17.8. | Arkadenhof der Universität Bonn (jeweils im Anschluss auch als Stream) | www.internationale-stummfilmtage.de
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Volles Programm(heft)
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