Nicht nur den Wind, sondern auch die Blüte und Vergänglichkeit des Lebens erntet Sabine Beyerle in ihrer malerischen Werkschau „Harvest the Wind“ in der Galerie Anja Knoess. Auf den ersten Blick der Leuchtkraft und dem lebensspendenden Wesen der Natur verhaftet, übernehmen bald die Heralde des Welkens den Farbton, geraten karge Böden und schroffe Felsen in das Sichtfeld der Betrachter:innen. Keine kühlen Brisen, sondern heiße, trockene Sommerluft zirkuliert über den Landschaftsmotiven, die von Reisen der Künstlerin nach Patagonien in Südamerika inspiriert sind. In ihrem großformatigen Öl/Acryl-Gemälde „El Camino“ (übersetzt: Der Weg) erwartet die Vorüberziehenden ein Stammbaum der Ewigkeit, der einer letzten Ernte in Eden (noch) widersteht.
Von den üppigen Formaten Beyerles zur radikalen Reduktion des Ausdrucks in Pierrette Blochs Solo-Ausstellung „Essence“ in der Galerie Karsten Greve ist es nur ein kurzer Spaziergang. 40 Exponate aus den Jahren 1973 bis 2015 veranschaulichen Blochs verschlüsselte Bildersprache, die schwarze Sterne in Form von Tusche-Punkten, -Tropfen, -Brocken oder vorüberziehender Krümmungen in einem Kosmos gefüllt mit weißer Materie auf dem Papier sichtbar machen. Ansätze von Schrift verlaufen sich mal synchron steigend, mal fallend in kryptische Erzählungen über alles oder nichts. Einzelne kreisende Zeichnungen, die vorschnell der Magie des Kritzelns zugeschrieben werden könnten, ließen sich ebenso mit dem unaufhörlichen Produktionsdrang von Bloch erklären, die in der Kunstwelt oft übergangen worden ist.
Auf der Anklagebank der Künste präsentiert sich Selin Davasse dagegen unübersehbar. Die Performerin inszeniert sich in der Galerie Mouches Volantes via Video als Hauptangeklagte, Verteidigerin, Staatsanwältin, Zeugin und Richterin während einem fiktiven Prozess. Der Vorwurf: „Tugendsignalisierung“ und „Tokenisierung“. Das Video wird durch Präsenz-Auftritte von Davasse ergänzt. Die als mehrteiliger Zyklus geplante kritische Reflexion über Machtverhältnisse in der Kunstwelt und deren kuratorische Gesetzmäßigkeiten soll im August und September dieses Jahres in den Berliner Locations Soft Power und Pickle Bar unter den Titeln „The Hearing“ sowie The „Appeal“ fortgesetzt werden.
Galerie Anja Knoess: Harvest the Wind | bis 30.8. | Galerie Karsten Greve: Essence | bis 30.8. | Galerie Mouches Volantes: Corpus Iuris Artis: I. The Deposition | bis 9.8.
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