Ein Satz für die Unendlichkeit? Wie in einem handgeschriebenen Buch wiederholt Loïc Le Groumellec in der Galerie Karsten Greve den Befehl zur Zerstörung heidnischer Symbole aus den Rechtsordnungen Karls des Großen und platziert im Zentrum seiner Triptychen Steinblöcke oder kraterähnliche Vertiefungen. Die „Écritures, mégalithes et cupules II“ verweisen auf Sakrilegien, Verwandtschaften und die Androhung des Kirchenbanns bei Widerstand gegen die „göttliche“ Ordnung des christlichen Abendlandes. Ergänzt werden die überwiegend großformatigen Tusche-, Acryl- und Gouache-Arbeiten der Soloausstellung auf mehreren Ebenen in der Stätte durch Stein-, Holz- sowie Gipsskulpturen, die den Kontrast zwischen universeller Spiritualität und weltlichem Glauben versinnbildlichen, wenn nicht gar manifestieren.
„Heimat“ – kaum ein Begriff regt so sehr die Suche nach Identität an. Marina Skepner geht in der vielleicht kleinsten Galerie Kölns, der Art-Passage Landmann-31, unorthodox und befreit von Pathos an die Bestimmung von Standpunkten. In ihrer Serie „Topografika“ überträgt die international agierende Künstlerin Land- und Stadtkarten auf Bleistiftzeichnungen, die etwa Gesichter oder Hände zeigen. Sie erschafft dadurch neue Räume für das Individuum. Lebenswege werden anhand von Straßen, Strömen, Brücken oder städtischen Wohnvierteln auf die Körper projiziert. Innere Landschaften formen sich in Skepners unscheinbaren Öl-Malereien der Reihe „Sehnsucht nach der Ebene“ im Stile flüchtiger und dennoch bereichernder Augenblicke.
Ihre Premiere als Solistin begeht Leni Linzenich in der Überlebensstation Gulliver mit der Werkschau „Lensch“. Die Einrichtung für obdachlose Menschen unmittelbar hinter dem Kölner Hauptbahnhof bietet regelmäßig Ausstellungen, die sowohl der Realität als auch dem Unwirklichen Platz bieten. Die 22-jährige Bergisch-Gladbacherin demonstriert in der Stätte eine wohltuend anarchistische Ignoranz gegenüber Kunst-Kategorien und reiht Abstraktionen an Figürliches, Natur und dörfliche Idylle an Urbanität, Licht an Finsternis, Stille an Kakophonie. Die Bildnisse setzen dabei eine unaufhörliche Deklination des Wunderns in Gang, die nicht nur von Heinrich Hoffmanns weltenstaunendem Hanns Guck-in-die-Luft auf seinem Marsch aus dem Bild hinaus betont wird.
Galerie Karsten Greve: Écritures, mégalithes et cupules II | bis 28.6. | Galerie Landmann-31: (Home) Land | bis 31.5. | Überlebensstation Gulliver: Lensch | bis 20.7.
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