Im Vorspann des Vormonats wies Kollegin Jessica Düster darauf hin, dass die Männer nach wie vor den Regiestuhl dominieren. An diesem Thron gehört gerüttelt, ohne Frage. Bis eine angemessene Annäherung geschafft ist, dürfen wir uns immerhin damit vertrösten, dass Männer nicht bloß Männerfilme drehen. Nein, die Väter des Films widmen sich gerade in jüngster Zeit vermehrt der Göttlichkeit auf Erden schlechthin: der Mutter. Vorreiter, klar, ist Frauenversteher Pedro Almodóvar („Alles über meine Mutter“), der kürzlich mit „Julieta“ eine zerrissene Mutter zwischen Flucht und Sehnsucht portraitierte. Julio Medem schickte zuletzt in „Ma Ma“ Penélope Cruz durchs Martyrium, Gary Marshall kredenzte mit „Mother‘s Day“ Romantisches, während Jon Lucas und Scott Moore ihren „Bad Moms“ scheinbar nur als Regiegespann gewachsen sind. Und, der einen Freud, des anderen Leid, Bridget Jones durchlebt demnächst auch noch so manche Schwangerschaftswoche.
Filmemacherinnen geben sich derweil wesentlich angeregter der werdenden Mutterschaft hin: Rebecca Miller verfolgt pointiert die Familienplanung ihrer schwangeren Heldin („Maggies Plan“), während Anne Zohra Berrached mit „24 Wochen“ eine Schwangere auf eine ungleich dramatischere Odyssee schickt.
Oh, Mutter! Mutter, das ist der Name des Bordcomputers in „Alien“, der Antworten gibt auf alles und die letzte Anlaufstelle bildet in der größten Not. Die Geburt schleppt sich als leitendes Motiv durch die ganze Serie bis hin ins Prequel „Prometheus“, in dem die Frau erst das Monster zur Welt bringt. Tragisches Mutterpech! Während der Vater im Kino gern als Rabenvater oder autoritäre Instanz stigmatisiert wird, ist die Mutter in vielerlei Ausrichtung angelegt. Von hassenswert („Heavenly Creatures“) bis cool („Kill Bill“).
Frauenfiguren auf der Leinwand: Heiligenverehrung, Sexismus, Feminismus. Der Mutterfigur widerfährt dabei seitens der männlich dominierten Regieregentschaft oftmals Respekt. Respekt, der auch gern in Angst umschlägt. Angst vor der Übermutter, die schnell zum Monster geriert, die Wahnsinn gebärt: Die junge Carrie, Tochter einer alleinerziehenden Mutter mit fragwürdigem pädagogischen Konzept, bringt in der Folge Rachsucht und Tod über ihre Heimatstadt („Carrie“), Marietta Fortune beschert ihrem Töchterchen Luna und deren Lover Sailor alles andere als Glück („Wild at Heart“). Und Norman Bates verarbeitet seinen Ödipuskomplex in einem abgründigen Albtraum in Schwarzweiß („Psycho“). Allesamt Hirngespinste großer Regisseure: Brian De Palma, David Lynch und Alfred Hitchcock. Auch das Gegenwartskino birgt so manches gefeierte Mutter-Sohn-Drama aus männlicher Hand, wie etwa Xavier Dolans „I Killed My Mother“, während das momentan imposanteste Vater-Tochter-Drama von einer Regisseurin auf die Leinwand gebannt wurde: Maren Ades „Toni Erdmann“. Ätsch! So dann, liebe Frauen, die Männer mögen den Regiestuhl noch beherrschen. Doch immerhin tun sie alles, um euch darauf zu huldigen. Jetzt müssen sie nur noch ein wenig zur Seite rücken.
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