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Die Nebelmaschine im Zentrum der Videoinstallation spielt ihre erste Hauptrolle
Foto: Milanova/Lindner

Wenn der Nebel was dichtet

16. November 2017

Videoinstallation „Agens“ im Kunstraum Fuhrwerkswaage – Kunst 11/17

Die Atmosphäre im Sürther Kunstraum Fuhrwerkswaage mag, ganz in klinischem Weiß gehalten und von Sonneneinfall durch hohe Fenster beschienen, denkbar einladend sein, doch gelingt es dem Künstlergespann Lyoudmila Milanova und Steffi Lindner mit ihrer Videoinstallation „Agens“ auch in der hellsten Location für so manch morbiden Schauer zu sorgen. Vielleicht sind es die unheilvoll-minimalistischen Drone-Sounds von Samuel Rogers, die dem zwanzigminütigen Videoloop, der auf eine Trennwand in der Mitte des Raumes projiziert wird, einen so unheilvollen Beigeschmack verleihen. Nicht dass die Bilder einen verstörenden Eindruck machen würden. Vielmehr strahlen sie eine somnambule, treibsandige Ruhe aus. Gezeigt werden Aufnahmen eines menschenleeren Hauses, in dem sich schleichend, doch unaufhaltsam ein milchiger Teppich aus künstlichem Nebel ausbreitet.


Bilder aus einem verlassenen Haus, Foto: Milanova/Lindner

Sind die Ursachen des Nebels zunächst noch bei einem Wasserkocher, einer glimmenden Zigarette oder dem Dampf einer sich füllenden Badewanne zu erkennen, nimmt der formlose Hauch bald schon ein Eigenleben an und erobert die Innenräume komplett. Züngelnd kriecht der Trockennebel über matt schimmernde Küchenboards, entlang der Fugen eines kalt ausgeleuchteten Badezimmers oder wälzt sich träge durch einen düsteren Flur oder eine Treppe hinab. Kleine Andeutungen wie ein ungemachtes Bett, eine übergelaufene Wanne oder an Bügeln aufgehängte Kleidung deuten an, dass bis vor kurzem noch Menschen vor Ort waren, doch sind sie die meiste Zeit nicht auffindbar. Ob sich hier jemand in Rauch, Nebel oder Trockeneisschleier verwandelt hat, wollen Milanova und Lindner dennoch nicht preisgeben.

„Diese Geister-Assoziationen haben wir schon ein paar Mal gehört“, sagt Lindner. „Nebel und Dunst hat wohl einfach diese unheimliche Wirkung. Da ist etwas Undurchdringliches, was manchen Angst macht. Viele Filmstereotypen haben das ja auch oft aufgegriffen. Ich versteh die Deutung und will es keinem nehmen, aber es war nicht unbedingt unser Anliegen, die Zuschauer zu gruseln.“ Gemeinsam mit Milanova studierte sie an der Kölner Kunsthochschule für Medien. Überschneidungen der Interessen waren früh erkennbar, doch suchten sie lang nach dem geeigneten Aufhänger, der eine Zusammenarbeit ermöglichen würde. „Wir wussten, dass uns Naturphänomene und die menschlichen Versuche ihrer Nutzbarmachung interessieren, doch es brauchte einen Besuch im Künstlerdorf in Schöppingen, um das Ganze richtig auf den Punkt zu bringen“, erinnert sich Lyoudmila Milanova. „Als wir dort waren, das Künstlerdorf liegt ziemlich im Grünen, fiel uns beiden der Nebeldunst auf, der dort etwas ganz Plastisches hatte. Man glaubte, eine richtige weiße Wand aus Nebel vor sich zu haben. Dieser Moment war sowas wie die Geburtsstunde von ‚Agens‘, wie es jetzt existiert. Die Idee, dass etwas so Formloses wie Nebel den Anschein von etwas ganz Haptischen haben kann, war der Ausgangspunkt.“


Bilder aus einem verlassenen Haus, Foto: Milanova/Lindner

Mit einem solch atmosphärischen und fantasieanregenden Erlebnis als motivierendem Motor machte sich das Duo ans Werk. Locations und Motive wurden ausgesucht und eine Nebelmaschine ausgeliehen. Lindner: „Wir wollten wissen, wohin uns die Arbeit führen kann. Sicher haben wir uns mit dem Phänomen der Wolken und  des Nebels auseinandergesetzt, doch war uns wichtig. dass uns dieser intuitive Moment erhalten bleibt.“ Um dem Spiel der Elemente Kontrast zu verleihen, verlegte man das Naturschauspiel hier ins Innere eines abgelegenen Wohnhauses, das im Rahmen ihres Projektes von Elementen durchdrungen, erfüllt und erobert wird.

Dass man sich ausgerechnet bei der Simulation eines Naturereignisses in den „Dunstkreis“ der Überwachungstechnik begeben musste, amüsiert Steffi Lindner noch heute: „Der Nebelwerfer, den wir benutzt haben, wird sonst zu Security-Zwecken in großen Hallen benutzt. Wenn ein Einbrecher den Alarm auslöst, wird damit der gesamte Raum so undurchschaubar zugenebelt, dass bald schon niemand mehr den Weg zum Ausgang findet. Das ist bestimmt sehr praktisch in diesem Szenario, aber für uns war vor allem dieser erste Moment interessant, in dem eine derartige Nebelsäule in den Raum gepresst wird, dass es für einen Moment fest aussieht. Man glaubt, dass sich die Säule berühren lässt, obwohl sie nicht in der Lage ist, den Zustand länger als einen Moment beizubehalten.“

Auch in der Fuhrwerkswaage flankiert eine Nebelmaschine die Videoleinwand, doch hat man sich hier, dem Zuschauer zuliebe, für ein kleineres Kaliber entschieden, die in regelmäßigen Intervallen, kleinere Wolken ausstößt, die für einen Moment im Raum schweben, bevor sie sich verflüchtigen wie fixe Ideen und sich in alle Richtungen verlieren. Ganz gleich ob sein Blick der Wolke vor Augen oder den Nebelschwaden auf der Leinwand verfällt, bleibt es dem Betrachter überlassen, ob er in „Agens“ eine Meditation über Nutzbarmachung der Elemente, den Traum, Flüchtiges greifbar zu machen, oder doch ein melancholisch-schauriges Spukhaus-Szenario sehen will.

„Agens“ | bis 26.11., Mi-Fr 17-19 Uhr, So 14-17 Uhr | Kunstraum Fuhrwerkswaage, Bergstraße 79, Köln-Sürth | 0221 88 88 56 66

Robert Cherkowski

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