Als die Brücke über den Fluss brannte, hatte ich doch ein Rammstein-Zitat im Kopf: Oh siehst du nicht die Brücke brennt, Hör auf zu schreien und weh dich nicht, weil sie sonst auseinander bricht. Die Szene stammt aus dem Video „The Republic of T. M.“ (2016) von Masar Sohail, mit dem der gebürtige Rumäne den diesjährigen 18. Dorothea von Stetten Kunstpreis 2018 gewann. Für die Jury hatte der technisch perfekte Kurzfilm eben „viel visuelle Opulenz, eine kongruente narrative Struktur und eine humorvolle Sprache“, soll heißen Witz. T.M. im Titel gehört nämlich zu Tony Montana (Scarface/Al Pacino) aus Brian de Palmas gleichnamigen Film von 1983. Gewalttätig geht es auch in Sohails Streifen zu. Hier will ein junger Mann die bestehende Ordnung zerstören, um sich eine eigene Welt zu erschaffen. Tahas Gewaltorgie durch moderne Vegetation (plus „kill them all“) dauert nur eine Viertelstunde, aber sie reflektiert ziemlich treffsicher die Aussichtlosigkeit, mit der sich junge Männer heute in derartige Alternativgesellschaften träumen. Soziale Ausgrenzungen lassen sich eben mit Waffengewalt sehr gut durchbrechen, ein fatales wie wohl untaugliches Gedankenmodel, auch Scarface ist bei De Palma schließlich gescheitert. Masar Sohail konnte immerhin die 10.000 Euro Preisgeld einsacken, zu Recht wie ich finde. An dem Streifen ist nichts auszusetzen, schnitttechnisch geschickt, schöne lange Portraiteinstellungen und ein grandioses Szenario machen beim Betrachten nicht nur nachdenklich. Der Filmemacher studierte Bildende Kunst an der Royal Danish Art Academy und kam so als Vertreter der jungen dänischen Kunstszene in die Auswahl, denn der Kunstpreis hat sich seit Jahren dem europäischen Umland (von Deutschland aus) verschrieben.
Zusammen mit Amalie Smith und Amitai Romm präsentiert sich der Preisträger in der Bonner Kunsthalle. Smith lässt digitale Bilder auf zwei Wellblechplatten projizieren, die den gesamten Raum teilen. Ziemlich abstrakt anhand von Webstuhlsystemen soll die fortschreitende Digitalisierung der Welt visuell sichtbar werden. Hans Arps „Sailboat in the Forest“ (1969) spiegelt diese Entwicklung der tanzenden Kettfäden. Im Raum des Israeli Amitai Romm geht es großformatig und flüssig weiter. Pinkelnde Torsi ist mein erster Gedanke anhand einer ziemlich kompliziert aufgebauten Installation über die Funktion von Stoffwechseln, und eigentlich riecht es auch etwas. Zwei Tanks mit klarer Flüssigkeit stehen da, zwei Schläuche verbinden sie mit Technik und den Stoffkörpern, die wohl alles kontrolliert „ausschwitzen“; der Vorgang als solcher bleibt verborgen. Das Sekret als eines der ursächlichen Teile des Organismus ist hier zu einem Gedankenmodel verarbeitet worden, das auch eine Auseinandersetzung mit einem eigenen Körper einfordert. Auf der gegenüberliegenden Wand eine monströse Raupe aus stählernen „Satellitenschüsseln“ (Parable, 2016, Detail, Stahl, Neodymium Magnet, Fossilien) und versteinerten Urtierchen. Ein schöner Kontrast ohne Flüssigkeiten.
Dorothea von Stetten Kunstpreis 2018 | bis 30.9. | Kunstmuseum Bonn | 0228 77 62 60
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