
Bugonia
Großbritannien, Südkorea 2025, Laufzeit: 120 Min., FSK 16
Regie: Yorgos Lanthimos
Darsteller: Emma Stone, Jesse Plemons, Aidan Delbis
>> www.upig.de/micro/bugonia
Skurrile Sci-Fi-Dramedy
CEO oder Alien?
„Bugonia“ von Yórgos Lánthimos
Wenn ein Regisseur unserer Zeit bizarre Stoffe beherrscht, dann ist es Yórgos Lánthimos: In „The Lobster“ (2015) wurden paarungsunwillige Menschen in Tiere verwandelt, in „Poor Things“ (2024) entdeckte die Protagonistin Bella Baxter ihr Leben neu, nachdem ihr das Gehirn eines Babys eingepflanzt wurde, in „Kinds of Kindness“ (2024) loteten drei Kurzgeschichten die brutalen Dynamiken emotionaler Abhängigkeiten aus. „Bugonia“ reiht sich in diese skurrilen Geschichten ein: Der vom Kummer über seine erkrankte Mutter zerfressene Verschwörungstheoretiker Teddy (grandios gespielt von Jesse Plemons, der auch schon in „Kinds of Kindness“ zu sehen war) entführt gemeinsam mit seinem Cousin Don (Aidan Delbis) die Chefin eines erfolgreichen Pharmazieunternehmens (Emma Stone). Teddy glaubt, diese sei ein Alien, das die Welt zerstören wolle.
Was abgefahren klingt, kommt zunächst in harmlosen, naturnahen Bildern daher: Eröffnet wird „Bugonia“ von einer Honigbiene, die von Blüte zu Blüte schwirrt. Lánthimos nimmt sich Zeit für dieses Bild – und für Teddys anschließenden Monolog über die Bedeutung der Bienen für Menschheit und Natur. Als wir daraufhin Teddy und Don in ihr Haus folgen, wird schnell klar, dass sie ein Außenseiter-Dasein führen: Alles ist heruntergekommen und verwahrlost – nicht zuletzt die beiden selbst. In einer pointierten Parallel-Montage sehen wir im Vergleich dazu die Morgenroutine von Michelle Fuller, der Chefin des Pharmazieunternehmens: minutiös durchgetaktet, effizient, auf Hochglanz abzielend. Wider Erwarten gelingt es Teddy und Don tatsächlich, Fuller zu entführen, ohne eine Spur zu hinterlassen, und sie anschließend im Keller ihres Hauses gefangen zu halten. Ihr Ziel: Fuller soll bis zur nächsten Mondfinsternis in drei Tagen ihr Raumschiff kontaktieren, damit Teddy und Don die Aliens davon abhalten können, die Erde zu zerstören.
Mehr darf an dieser Stelle eigentlich nicht über die Handlung verraten werden, ohne den Effekt von „Bugonia“ zu mindern. Die Story ist nicht neu: „Bugonia“ ist ein Remake der südkoreanischen Sci-Fi-Komödie „Save the Green Planet!“ von Jang Joon-Hwan aus dem Jahr 2003 – Lánthimos‘ Film wählt jedoch teilweise andere Schwerpunkte und Personenkonstellationen. Der Film wirkt, als wäre er den aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen der USA entsprungen. Die größte Stärke der Story ist, dass sie ein nuanciertes Bild von Verschwörungstheoretiker Teddy zeichnet, ohne vorschnell zu urteilen. So wirken seine Überzeugungen und sein Lebensstil zunächst einfach nur abstrus – doch während wir in kurzen Dialogausschnitten und schwarz-weißen Rückblenden Stück für Stück Einblick in seine Kindheit erhalten, wird klar, wie es zu seinem Weltbild kommen konnte. Jesse Plemons spielt Teddy mit einer solchen Wahrhaftigkeit, bei der trotz all des Wahnsinns und der Wut der darunter verdeckte Schmerz aus jeder Pore quillt. Am Ende kann man fast nicht anders, als Mitleid mit ihm zu haben.
Neben Plemons hat sich Lánthimos für „Bugonia“ weitere Mitglieder seines erprobten Teams an die Seite geholt: Emma Stone brilliert als entführte CEO/vermeintliches Alien und Komponist Jerskin Fendrix hat wie schon für „Poor Things“ und „Kinds of Kindness“ erneut eine so beklemmende wie exzentrische Soundkulisse geschaffen. Dass der für seine Horrorfilme bekannte Regisseur Ari Aster (u.a. „Midsommar“, „Hereditary“) einer der Produzenten ist, überrascht da gar nicht. In „Bugonia“ passt alles zusammen: Das Spiel von Stone und Plemons entfaltet zusammen mit der zeitgemäßen und tiefschürfenden Story, den einnehmenden Bildern und dem düsteren Humor eine Sogwirkung, dem man sich nicht entziehen kann. Lánthimos und die anderen Beteiligten zeigen, wie wichtig es ist, solche Geschichten gemeinsam in einem großen Saal zu sehen. Vor allem die letzten 15 Minuten haben es in sich: Sie sorgen dafür, dass aus einem sehr guten ein großartiger Film wird – und geben Anlass, das eigene Weltbild und den Zustand unserer Gesellschaft zu hinterfragen. Mehr kann Kino nicht wollen.
(Marina Wudy)

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