Couscous mit Fisch
Frankreich 2007, Laufzeit: 151 Min., FSK 6
Regie: Abdel Kechiche
Darsteller: Habib Boufares, Sabrina Ouazani, Hafsia Herzi, Faridah Benkhetache, Mohamed Benabdeslem
Slimane Beiji ist seit Jahrzehnten Werftarbeiter. Als man ihm ankündigt, dass Entlassungen bevorstehen, ergreift er die Initiative und versucht, auf einem Boot ein Restaurant zu eröffnen.
Wenn man sich den Titel, die Story und die Werbebilder des neuen Films von Abdellatif Kechiche ansieht, sind Missverständnisse vorprogrammiert. Ohne weiteres könnte man einen jener exotistischen Filme erwarten, die mit kulinarischen Reizen und schöner Fotografie – in Rezensionen fallen dann gerne die Worte sinnlich und beschwingt – für das Andere, das Fremde und allgemein für das schöne Leben werben. Auch soziale Themen dürfen am Rande vorkommen. Was man nicht erwartet: Einen nüchternen wie ausdauernden sozialrealistischen Blick auf die Alltagsprobleme von Migranten in Südfrankreich. Es sei denn, man kennt „LEsquive“, den letzten Film des Regisseurs Abdellatif Kechiche.
Mit seinem ein Theaterprojekt mit Schülern in den Banlieues begleitenden Film von 2003 gelang Kechiche ein ebenso genaues wie sensibles Jugenddrama, in das die herrschenden Verhältnisse letztendlich trotz aller Hoffnungsmomente unbarmherzig hereinbrechen. „Couscous mit Fisch“, dessen Originaltitel „La Graine et le Mulet“ – etwa „Der Samen und die Meeräsche“ – geheimnisvoller klingt, erzählt von einem alten maghrebinischen Mann, der im Süden Frankreichs nach Jahren als Werftarbeiter überflüssig geworden ist. Der stoische Slimane hat sich nun in den Kopf gesetzt, ein schwimmendes Restaurant zu eröffnen. Teils enthusiastisch, teils widerwillig hilft ihm die Verwandtschaft – seine Söhne und seine Töchter, seine Exfrau, seine Freundin und vor allem deren Tochter – gegen alle Widerstände bei den Vorbereitungen. Ämtergänge, die Restauration eines alten Schiffs und vor allem die Kochkunst seiner Ex-Frau sind gefragt. Spannungen zwischen der alten und der neuen Familie von Slimane bleiben nicht aus. Bei Kechiche wird nicht der Zusammenhalt in der Fremde idealisiert. Und trotzdem kommen alle zusammen langsam aber sicher dem Ziel näher. Bei der feierlichen Eröffnung geht doch noch einiges schief.
Wie Kechiche den Alltag zwischen Familienleben und den Vorbereitungen für die große Eröffnung einfängt, wirkt regelrecht dokumentarisch. Bereits in „LEsquive“ arbeitete der Regisseur mit eindringlichem Ergebnis fast ausschließlich mit Laiendarstellern und kleinem Team. Man sitzt beim großen Familientreffen mit am Tisch oder hört am Tresen der Bar den Gesprächen der alten Männer zu, die das Treiben von Slimane und seiner Familie regelmäßig kommentieren. Kechiche zeigt unpathetisch die Kraft und den Willen des alten Mannes, ohne ihn zu überhöhen. Das unendlich lange Finale des Films findet schließlich in seiner Intensität, die durch eine ungewöhnliche Penetranz der Einstellungen, von ewigen Wiederholungen und harten Brüchen geprägt ist, zu einer auch für den Zuschauer schmerzvollen Form, die ebenso wie in „LEsquive“ unentscheidbar zwischen Hoffnung und Verzweiflung verharrt.
(Christian Meyer)

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