Lärm ist Terror. Dem Angriff auf die Psyche erfolgt Gegengewalt durch Personifizierung des Feindes, Verurteilung, Bestrafung. Im Kammerspiel „Ruhestörung“ von Autor Eugen Ruge wird ein alleinstehender Mann von den Geräuschen seiner Umwelt heimgesucht. Rund um die Uhr das scheinbar wahllose Klingeln von Briefzustellern an der Haustüre, der laufende Staubsauger ein Stockwerk tiefer, zum Bellen verdammte Hunde, das Aufheulen der nachbarschaftlichen Bohrmaschine als Stärkung der Männlichkeit – aber auch die Schreie körperlicher Misshandlungen. Seine lautstarke Empörung über die herrschenden Zustände führt zur Androhung einer Mietkündigung.
Regisseur Michael Meichßner – der zurzeit mit seinem Stück „Der Reichsbürger“ für Aufregung sorgt – schließt seinen Hauptdarsteller Jonathan Maria Dorando am Theater der Keller über weite Strecken des Stückes in eine wenige Quadratmeter umfassende Box, die einer Pförtnerloge gleicht. Hier sinniert der Protagonist, umherwandernd zwischen Sessel und Türe, in Selbstgesprächen über das ihm wiederfahrende Unrecht. Sein Zuhörer ist ein Plastiksittich. In seiner Ausweglosigkeit an die Werke Franz Kafkas erinnernd, gleitet der Plot in den Spiegelungen gesellschaftlicher Absurditäten mitunter Richtung Loriot und manövriert das Publikum zwischen Nachdenklichkeit, Entsetzen und Amüsement. Der rund 50-minütigen Inszenierung gelingt das Kunststück, ein episches Drama darzustellen: Das Ende der Stille durch die Geburtsstunde des Menschen.
Ruhestörung | 14., 15., 28.12., 18., 19.1. | Theater der Keller | 0221 31 80 59
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