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Paula Götz in „Marlene Piaf“
Foto: Oliver Strömer

Über zwei Ikonen

17. November 2025

„Marlene Piaf“ am Theater der Keller

Noch bevor sich das Nicht-Bedauern gelebter und ungelebter Fantasien verfestigen könnte, stirbt Édith Piaf auf der Bühne des Theaters der Keller in der Tanzfaktur. Ein leiser Aufschrei irrt durch den Saal. Tatsächlich tätigt auch Marlene Dietrich an Ort und Stelle ihren letzten Hauch. Hier treten zwei Ikonen im Körper von Schauspielerin Paula Götz einen geräuschlosen Schlaf an, der ewig währen soll und von Gleb Chepkis E-Pianoklängen graziös begleitet wird.

Zuvor begaben sich die Zuschauer:innen in der vollbesetzten Spielstätte summend auf eine 70-minütige Nostalgiereise. Die Evergreens von „Marlene Piaf“ sind zwar weder im Französischen noch im Berlinerischen mitsingbar, als Melodien aber allgegenwärtig: „Non, je ne regrette rien“, „La vie en rose“ oder „Ich hab‘ noch einen Koffer in Berlin“ stimmen auch Jahrzehnte nach der Veröffentlichung noch Millionen an – gewollt oder nicht. Sowohl die Piaf als auch die Dietrich gelten als Leuchttürme der Emanzipation und Selbstbestimmung, die sich den Patriarchen ihrer Epoche entzogen. Dass auch Granit an manchen Stellen fragil sein kann, zeigen der Regisseur Michael Meichßner, die Hauptdarstellerin Paula Götz und der Pianist Gleb Chepki in einer bewegenden Hommage an zwei Legenden. Nicht nur das Schauspiel, der Gesang und dessen Begleitung beeindrucken, auch der Mut zur Auseinandersetzung mit einem Stoff abseits zeitgenössischer politischer Geschehnisse oder gesellschaftlicher Debatten. Die Dramaturgie des Kammerspiels entzieht den Figuren nach einem Leben in der Öffentlichkeit nicht etwa den Boden, sondern alles Licht abseits der Blitzlichtgewitter. Nein, sie stehen nicht mehr auf. Der Schlaf verspricht Frieden für die Freundinnen. Piafs / Dietrichs aufragender Mikroständer ohne Mikrofon steht im Zentrum der Bühne als Ausrufezeichen für eine nie zu erreichende Perfektion in der Kunst und im Leben. Immerhin kommt die Krönung doch erst am Schluss – etwas fehlt solange immer. Hier lediglich eine weitere Zugabe. Chapeau!

Marlene Piaf | 20.12. 20 Uhr, 21.12. 18 Uhr, 10.01. 20 Uhr, 11.01. 18 Uhr | Theater der Keller in der Tanzfaktur | theater-der-keller.de

Thomas Dahl

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