
Lolita lesen in Teheran
Italien, Israel 2024, Laufzeit: 108 Min., FSK 12
Regie: Eran Rikli
Darsteller: Golshifteh Farahani, Zar Amir Ebrahimi, Mina Kavani
Dramatische Buchverfilmung nach einer wahren Begebenheit
Club der lesenden Frauen
„Lolita lesen in Teheran“ von Eran Riklis
In vier Kapiteln, die nach bekannten Büchern betitelt sind („The Great Gatsby“, „Lolita“, „Daisy Miller“, „Pride and Prejudice“), verfilmt Eran Riklis die wahre Geschichte der Literaturprofessorin Azar Nafisi (Golshifteh Farahani). Diese kehrt 1980 voller Hoffnung mit ihrem Mann Bijan (Arash Marandi) aus den USA in den Iran zurück, um dort Literatur an der Uni in Teheran zu lehren. In den folgenden Jahren erlebt sie, wie Menschenrechte immer stärker beschnitten werden und das tägliche Leben der Menschen immer mehr Einschränkungen erfährt. Die kleinsten Vergehen – ein als Kritik gedeuteter Satz, ein falsch sitzendes Kopftuch, Händchenhalten in der Öffentlichkeit – können sofort zu harten Strafen führen.
In Nafisis Vorlesungen an der Universität diskutieren die Studenten hitzig mit ihr über die Rolle von Literatur und darüber, ob alle literarischen Texte gleichsam für den Unterricht geeignet sind. Als westliche Literatur verboten wird, weil die Texte als unmoralisch und sittenwidrig gelten, wird ihr der Lehrauftrag entzogen und das Betreten des Campus verwehrt. Die Unerbittlichkeit, Willkür und Brutalität des Khomeini-Regimes ziehen sich wie ein roter Faden durch den Film. Riklis gelingt es, den unheimlichen Druck zu vermitteln, der entsteht, wenn Menschen unter einem solchen System versuchen, ihren Alltag zu leben und dabei ein Gefühl von Normalität zu bewahren. Sie wollen ihre Familien schützen, wissen aber, dass die Sittenwächter jederzeit auftauchen können. Dieser Druck führt zwangsläufig auch zu Spannungen im Privatbereich, was durch die zunehmenden Streitigkeiten zwischen Azar und Bijan verdeutlicht wird. Als Azar beschließt, heimlich einen Buchclub mit ehemaligen Studentinnen zu gründen, sind sich alle Teilnehmerinnen bewusst, dass sie nicht nur sich, sondern auch ihre Familien in Gefahr bringen. Während im Iran die Welt insbesondere für Frauen immer weiter schrumpft, eröffnen die geheimen Treffen und verbotenen Lektüren den Teilnehmerinnen alternative Welten und Sichtweisen und nähren Wünsche nach Freiheit und Selbstbestimmung. Wünsche, die bis heute im Iran nicht in Erfüllung gehen. Man muss sich nur an den Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini im Jahr 2022 erinnern, um festzustellen, wie politisch aktuell dieser Film ist – auch wenn die Geschichte zum Teil vor über 40 Jahren spielt.
Der israelische Filmemacher Eran Riklis behandelt in seinen Filmen häufig die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern. Dabei hat er ein Faible für Geschichten von mutigen und trotzigen Frauen aus dem Nahen Osten. In „Lemon Tree“ wehrt sich eine Palästinenserin gegen die Rodung der Zitronenplantage ihrer Familie durch israelische Kräfte, „Die syrische Braut“ befasst sich anhand einer Hochzeit mit der israelischen Besetzungspolitik und in „Aus nächster Distanz“ bringt Riklis eine Mossad-Agentin und eine libanesische Informantin zusammen. „Lolita lesen in Teheran“ zelebriert die Macht der Literatur in Zeiten der Unterdrückung und reiht sich perfekt in dieses Œuvre ein, auch wenn der Israelkonflikt diesmal keine Rolle spielt.
(Tina Adomako)

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