
Ein Lichtkegel fällt durchs Fenster des Schnittzimmers. Andreas von Hören sieht mit einer jungen Regisseurin einen Clip, in dem ein Jugendlicher von Bombenangriffen auf seine Heimatstadt erzählt. Von Hören sagt: „Das ist unsere Aufgabe – diese Geschichten sichtbar machen.“ Trotz des ernsten Themas: Film ist hier Leidenschaft, nicht Arbeit.
Beim Medienprojekt Wuppertal lernen Jugendliche, wie aus persönlichem Erleben, kreativem Geist und individueller Meinung einerseits und technischem Knowhow andererseits Filme entstehen. Das eine bringen sie selbst mit, bei dem anderen stehen Filmschaffende und Pädagogen zur Seite. Seit 1992 ermutigt die Einrichtung junge Menschen: „Erzähl du deine Geschichte!“ Jedes Jahr entstehen hier so über hundert Filme durch etwa tausend aktive Teilnehmende, deren Werke bundesweit in Schulen als Bildungsmedien eingesetzt werden. Denn Jugendliche hören ihren Altersgenossen eher zu – und schätzen Authentizität ganz besonders.
Alternativen zur Gewalt sichtbar machen
Das Medienprojekt Wuppertal versteht Film als Ausdruck des subjektiven Blicks. Andreas von Hören, Geschäftsführer des gemeinnützigen Vereins, betont: „Filme sind subjektiv, dadurch emotionaler“ als andere Medien. Gerade so werden Perspektiven sichtbar, die sonst oft stumm bleiben. Dabei kann es auch zu Kontroversen zu politischen Positionen kommen, zu kritischen Rückmeldungen. Doch: „Wuppertal ist eine multikulturelle Stadt – darum müssen auch mehrere Wirklichkeiten Platz haben“, sagt Andreas von Hören.
Im aktuellen Projekt „Krieg & Frieden“ reflektieren junge Menschen gemeinsam mit Pädagogen in Kleingruppen ihre Bezüge zu Gewalt, Konflikt und Frieden. Sie erzählen, in welcher Weise Kriegsbilder sie erreichen – ob über Social Media, Nachrichtensendungen oder Familiengeschichten – und wie man Alternativen zur Gewalt sichtbar machen kann. Dafür wird nicht nur gedreht, sondern diskutiert, recherchiert und reflektiert – über Militarismus, Fake News, Gewaltästhetik, Ursachen von Unfrieden, legitime und illegitime Formen des Widerstands.
Ein kleines Festival
Der Prozess folgt dem Prinzip: learning by doing. Die Jugendlichen wählen Themen selbst, entwickeln Drehbuchideen, setzen sie um und bearbeiten den Film mit technischer Anleitung. Medienpädagogen begleiten sie dabei, bringen Reflexionsübungen ein, hinterfragen Entscheidungen und lassen Raum für Diskussion.
Die allermeisten Filme werden öffentlich gezeigt: erst im Kino, dann auf Youtube und auf DVD. Die Kinovorführungen sind ganz besondere Ereignisse. „Jede Aufführung ist wie ein kleines Filmfestival“, sagt von Hören. Reaktionen des Publikums – Lachen, Nachfragen, Stille – sind Teil des Projekts. Die Filme sollen anschlussfähig sein: als Auslöser für Gespräche, Begegnung, Reflexion.
Im Schnittraum sagt von Hören: „Wir sehen Jugendliche nicht defizitär, sondern mit ihren Potenzialen.“ Der Bildschirm zeigt eine junge Frau mit Kopftuch, die zu ihrer Kamera spricht – und durch sie sprechen viele mit.
Veranstaltungshinweis: Die Premiere von „Krieg & Frieden. Eine Filmreihe mit Dokus, Interviewfilmen und Kurzspielfilmen“ findet statt am 18. November, 18 Uhr, im Cinema Wuppertal (Berliner Str. 88). Mit Publikumsdiskussion. Reservierung unter www.medienprojekt-wuppertal.de
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Konflikt-Kanzler
Intro – Friedenswissen
Herren des Krieges
Teil 1: Leitartikel – Warum Frieden eine Nebensache ist
„Besser fragen: Welche Defensivwaffen brauchen wir?“
Teil 1: Interview – Philosoph Olaf L. Müller über defensive Aufrüstung und gewaltfreien Widerstand
Politische Körper
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Kölner Friedensbildungswerk setzt auf Ganzheitlichkeit
Streiken statt schießen
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„Als könne man sich nur mit Waffen erfolgreich verteidigen“
Teil 2: Interview – Der Ko-Vorsitzende des Bundes für Soziale Verteidigung über waffenlosen Widerstand
Widerstand ohne Waffen
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Brauerheer statt Bundeswehr
Wie ein Biertornado die Gewaltspirale aus dem Takt wirft – Glosse
Kultur am Kipppunkt
Teil 1: Lokale Initiativen – Bruno Wenn vom Kölner Kulturrat über die Lage der städtischen Kulturhäuser
Zwischen Bar und Bühne
Teil 2: Lokale Initiativen – Das Neuland als kulturelles Experiment im Bochumer Westend
Querschnitt der Gesellschaft
Teil 3: Lokale Initiativen – Das Kulturbüro Wuppertal als Partner der freien Szene
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Teil 1: Lokale Initiativen – Das WDR-Landesstudio Köln
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Teil 2: Lokale Initiativen – Die Landesanstalt für Medien NRW fördert Medienvielfalt
Pakt mit dem Fakt
Teil 3: Lokale Initiativen – Das Zentrum für Erzählforschung an der Uni Wuppertal
Zwischen Krawall und Karneval
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Bereich Gegenwart im Kölner NS-Dok klärt über Rechtsextremismus auf
Antifaschismus für alle
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Bochumer Antifa-Treff
Nicht mit uns!
Teil 3: Lokale Initiativen – Das zivilgesellschaftliche Netzwerk Wuppertal stellt sich quer
Von Autos befreit
Teil 1: Lokale Initiativen – Einst belächelt, heute Vorbild: Die Siedlung Stellwerk 60 in Köln
Unter Fledermäusen
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Arbeitskreis Umweltschutz Bochum
Für eine gerechte Energiewende
Teil 3: Lokale Initiativen – Das Wuppertaler Forschungsprojekt SInBa