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Gandhi, Ikone des gewaltfreien Widerstands
Foto: Milano/Adobe Stock

Streiken statt schießen

30. Oktober 2025

Teil 2: Leitartikel – Das im Kalten Krieg entwickelte Konzept der Sozialen Verteidigung ist aktueller denn je.

Was tun, wenn „der Russe“ tatsächlich kommt? Die Bundesregierung und weite Teile der bundesdeutschen Publizistik trommeln derzeit ohrenbetäubend für militärische „Lösungen“. Was es im Fall eines Krieges mit einer Atommacht wie Russland aber noch zu verteidigen gäbe, sagen weder „Kriegstüchtigkeitsminister“ Boris Pistorius (SPD) noch die ihn treibenden „Bürosessel-Feldherren“ in den Redaktionsstuben. Dabei müsste nicht nur Ihnen, sondern jedem und jeder der potenziell weltauslöschende Charakter eines solchen Krieges bewusst sein. Gut also, dass Akteure der Friedensbewegung in den 1960er und -70er Jahren angesichts des atomaren Wettrüstens im Kalten Krieg das Konzept einer Sozialen Verteidigung erarbeitet haben, das sich einer militärischen Verteidigungslogik verweigert. Der Schwerpunkt der Sozialen Verteidigung liegt nicht in der Verteidigung eines Territoriums, die Grundlage jeder militärischen Verteidigungslogik ist. Nein, den Schwerpunkt Sozialer Verteidigung stellt die Verteidigung von Strukturen der Zivilgesellschaft gegen einen militärischen Angreifer und Besatzer dar – nach dem Motto „Lieber besetzt als tot“, wie es Ole Nymoen, Autor des Buches „Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde“ im Juli in der ZDF-Talkshow Markus Lanz formulierte; wofür er weitgehendes Unverständnis erntete.

Lieber besetzt als tot“

Statt eine politisch-historische Einflusssphäre zu verteidigen, stellt Soziale Verteidigung die Wahrung von Menschenleben und zivilen Strukturen in den Mittelpunkt ihrer Strategie. Methoden des gewaltfreien Kampfes sind nach dem Sozialwissenschaftler, Pädagogen und langjährigen Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft-Verband der KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Michael Schmid, u.a. der Dialog mit dem Gegner; symbolische Aktionen wie Demonstrationen, Protestmärsche, Mahnwachen; Nichtzusammenarbeit auf gesellschaftlichem, wirtschaftlichem und politischem Gebiet; ziviler Ungehorsam, wie die Weigerung, ungerechte Gesetze oder Anordnungen zu verwirklichen oder Streiks. Die Rechnung hinter dem Konzept der Sozialen Verteidigung: Nachteile der Machtausübung von Besatzern sind eher zu ertragen, als die große Zahl menschlicher Opfer sowie Zerstörungen von Gebäuden und Infrastruktur, die die militärische Verteidigung notwendigerweise mit sich brächte.

Sektierertum beenden

Soziale Verteidigung ist aber nicht voraussetzungslos. Der Ansatz geht zum einen von einem „rationalen“ Aggressor aus, der größten Nutzen (Ressourcen und Arbeitskraft) aus seinem Angriff ziehen will und deshalb an der Beherrschung des angegriffenen Landes interessiert ist. Zum anderen wäre auf Seiten des Sozialen Widerstands eine politische Kultur notwendig, in der Kontroversen ohne sektiererische Haarspalterei ausgetragen werden können. (Dasselbe gilt übrigens auch für die gegenwärtige Friedensbewegung, will sie wieder Einfluss entwickeln.) Eine solche politische Kultur müsste nicht in Einigungen in der Sache münden, sondern in einen Modus Vivendi, der trotz fortbestehender Pluralität gemeinsames Handeln ermöglicht.

Lernen aus der Geschichte

Wer jetzt denkt: „Schön und gut, aber das ist doch alles total unrealistisch“, der möge sich beispielsweise an den Prager Frühling 1968 erinnern oder an die Widerstandsbewegungen gegen die Nazi-Besatzung in den Niederlanden, Dänemark oder Norwegen. Gerade im Prager Frühling zeigte sich deutlich, welche Wirkung es auf Soldaten hat, wenn sie bei einer Besatzung keinen bewaffneten, kampfbereiten Gegnern gegenüberstehen – sondern mit nichts anderem als mit ihrer Diskussionsbereitschaft „bewaffneten“ Menschen.

Bernhard Krebs

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