Es gibt viele gute Gründe die AfD zu verbieten: In weiten Teilen völkisch, rassistisch, nationalistisch und chauvinistisch, hat die AfD — trotz gegenteiliger Beschlüsse der Partei — auch immer weniger Berührungsängste mit extremistischen Gruppierungen wie der Identitären Bewegung um deren Spiritus Rector Martin Sellner. Der hatte bei dem berühmt-berüchtigten Treffen von Potsdam im November 2023 offen der Remigration großer Teile der Bevölkerung das Wort geredet.
Gute Gründe für Verbot
Auch der Bundesverfassungsschutz findet, dass die AfD als gesichert rechtsextrem einzustufen sei, u.a. aufgrund „der die Menschenwürde missachtenden, extremistischen Prägung der Gesamtpartei“. Die AfD ziele darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von der gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen: „Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar“, hieß es seitens des Geheimdienstes Anfang Mai gegenüber tagesschau.de. (Allerdings sollten progressive Kräfte sich nicht zu sehr auf die Einschätzung eines Geheimdienstes stützen, der seit seiner Gründung als durchgehend rechtsoffen bezeichnet werden muss. Das missglückte NPD-Verbotsverfahren und die Komplizenschaft des Verfassungsschutzes mit dem NSU-Terrorismus stellen eindrückliche Belege in jüngster Vergangenheit dar.)
Aufrüstung spaltet
Dennoch, die vom Inlandsgeheimdienst angeführten Argumente stellen gute Gründe für ein AfD-Verbot dar. Doch die schlagendsten Argumente, liefert das sogenannte demokratische Zentrum der BRD selbst. Und zwar mit seiner ausgewiesenen Unfähigkeit das Land gut und zum Wohle der Mehrheit zu regieren, um so dem unaufhaltsam erscheinenden Aufstieg von Weidel, Chrupalla, Höcke & Co. den Wind aus den Segeln zu nehmen. Doch weit gefehlt, das politische Zentrum der BRD verschärft die bereits tiefgreifende gesellschaftliche Spaltung mit ihrem ungezügelten Aufrüstungskurs lieber weiter und stopft – ohne Sinn und Verstand – Milliarden Euro in die Rüstung. Milliarden, die bei Infrastruktur- sowie Sozial-, Gesundheits-, Pflege- und Bildungsausgaben eingespart werden und die gesellschaftliche Spaltung weiter verschärfen werden.
Unaufrichtigkeit der etablierten Parteien
Die Sache ist ja die: Eine Lösung der wichtigsten Probleme in diesem Land scheitert bislang nicht an der AfD, sondern an den Parteien des politischen Zentrums. Die haben übrigens bis heute ihre Rolle beim Aufstieg der AfD nicht begriffen, wie einmal mehr die Posse um die Besetzung der Richterstellen am Bundesverfassungsgericht (BVG) Anfang Juli einmal mehr verdeutlichte. Statt alles dranzusetzen die BVG-Stellen möglichst geräusch- und reibungsarm zu besetzen, inszenierte die CDU/CSU lieber einen konservativen Kulturkampf à la US-Republikaner, um auf Kosten der SPD ein paar billige Punkte bei ihrer Wählerschaft zu machen. Man verwehrte der von der SPD vorgeschlagenen Staatsrechtsexpertin Frauke Brosius-Gersdorf die Zustimmung, weil die als „zu links“ gelabelt wurde. Da hernach die Wahl des CDU-Kandidaten Günter Spinner ohne Stimmen der AfD vermutlich nicht geglückt wäre, wurde die gesamte Wahl abgeblasen und auf nach der parlamentarischen Sommerpause verschoben. Der Dilettantismus und die Unaufrichtigkeit der etablierten Parteien sind der Treibstoff mit dem die AfD kometenhaft aufsteigt. Forderungen nach einem Verbot der AfD sind trotz aller guten Gründe mit Vorsicht zu genießen.
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