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Rolf Frankenberger
Foto: Anne Faden

„Die Chancen eines Verbotsverfahren sind relativ gut“

31. Juli 2025

Teil 2: Interview – Rechtsextremismus-Forscher Rolf Frankenberger über ein mögliches Verbot der AfD

choices: Herr Frankenberger, Sie sind für ein zügiges AfD-Verbotsverfahren. Wie ließe sich verhindern, dass es die AfD-Anhänger noch beflügelt?

Rolf Frankenberger: Dem ist nur schwerlich entgegenzuwirken, weil sie sich ihrerseits in vielerlei Hinsicht als Retter der Demokratie sehen, das ist eine ganz eigene Dynamik. Und sie nehmen das ja eher als Beleg dafür, dass sie von den anderen unterdrückt werden. Was wir bräuchten, wäre aber tatsächlich eine viel offenere, klarere Auseinandersetzung darüber, was so ein Verbotsverfahren überhaupt heißt, was Konsequenzen daraus sein könnten, was das gesellschaftlich bedeutet. Wir müssen auch klarer darüber reden, wo eigentlich die Gefährdungen der Demokratie liegen.

Wo liegen Sie?

Zum einen ist – glaube ich – vielen Menschen nach wie vor nicht klar, warum sich sowohl der Verfassungsschutz als auch weite Teile der Forschung relativ einig sind, dass die AfD eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei ist. Das ist insbesondere ihre völkisch-nationalistische Ideologie. In dieser Ideologie zählen zum Beispiel Pluralismus und Minderheiten überhaupt nichts mehr. Es geht nur noch um den vermeintlichen Volkswillen, wobei das Volk aber sehr homogen definiert wird und der Einzelne sich diesem Volk unterordnen muss. Das ist eine Beschneidung individueller Freiheiten, sie würden in vielerlei Hinsicht abgeschafft. Das zweite ist natürlich das große Thema Migration, bei dem man auch klarer diskutieren muss. Was bedeutet denn Migration, welche Vor- und Nachteile hat sie, welche Herausforderungen gibt es? Auch das sind Sachen, die viel deutlicher diskutiert werden müssen. Und damit kann man den AfD-Leuten vielleicht auch ein bisschen den Wind aus den Segeln nehmen.

Entscheidend ist die Frage, ob die AfD tatsächlich verfassungsfeindlich ist“

Wie schätzen Sie die Chancen eines Verbots der AfD ein?

Entscheidend ist die Frage, ob die AfD tatsächlich verfassungsfeindlich ist. Dafür hat das Bundesamt für Verfassungsschutz auf über tausend Seiten Gutachten viele Hinweise zusammengetragen. Das Besondere: Die Position der AfD in Bezug auf Staatsbürgerschaft, insbesondere auf die Frage, wie mit Minderheiten umgegangen wird. Das verstößt in vielerlei Hinsicht gegen das Grundgesetz, insbesondere Artikel Eins, aber auch gegen andere. Und das ist nur, was öffentlich zugänglich ist. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat noch gar nicht damit angefangen, groß auszuwerten, was denn womöglich mit geheimdienstlichen Methoden noch herauszufinden wäre. Insofern sind da von juristischer Seite Chancen, auch wenn es andere Einschätzungen gibt. Von politikwissenschaftlicher Seite ist es, glaube ich, ziemlich klar gegeben, dass die Chancen da relativ gut sind, dass man auf jeden Fall ein Verbotsverfahren durchführen kann. Das ist der erste Schritt und ob sie dann verboten werden würde oder nicht, wäre dann Gegenstand des Verfahrens.

Eine Schwäche wäre, die in einer wehrhaften Demokratie möglichen Maßnahmen nicht einzusetzen“

Erkennt man an der Existenz einer verfassungsfeindlichen Partei eine Schwäche oder eine Stärke unserer Demokratie?

Ich würde tatsächlich zu beidem tendieren. Die AfD ist deswegen entstanden, weil bestimmte Positionen – zum Beispiel Euroskeptizismus, aber eben auch Migrationsskeptizismus oder -feindlichkeit – nicht so stark im Parteienspektrum vertreten waren. Auch diese ganzen traditionalistischen, „deutschtümelnden“ Werte wurden am Ende von der CDU nicht mehr so stark vertreten. Es sind Standards und eine Lücke im Parteiensystem. Da hat sich eine neue Partei gebildet, erst euroskeptisch, und sich dann radikalisiert. Aber das ist erst mal eine Stärke der Demokratie, dass Menschen sich zusammenschließen können, um für ihre Positionen einzutreten. Eine Schwäche unserer Demokratie ist das noch nicht, aber eine Schwäche von Akteuren in der Demokratie. Offensichtlich gelingt es anderen Parteien nicht, Positionen so klar und eindeutig zu formulieren, dass sie der AfD da etwas entgegenhalten kann. Eine Schwäche der Demokratie selber würde sich erst dann zeigen, wenn man – aus welchen Gründen auch immer – davon absehen würde, die in einer wehrhaften Demokratie möglichen Maßnahmen tatsächlich einzusetzen, weil die AfD so groß geworden ist. Das wäre dann eine Schwäche.

Was gibt Ihnen Hoffnung?

Mein Lieblingsbeispiel sind immer die Omas gegen Rechts. Die sind jetzt tatsächlich nicht verdächtig, irgendwie linksextremistisch zu sein, sondern sind eher bürgerlich, eher eine stille Gruppe und eine, die als schwächer wahrgenommen werden würde. Die setzen sich ein: für Demokratie, für Menschenrechte und sie suchen das Gespräch. Immer mehr Menschen interessieren sich heute für Demokratie und wollen sich auch einsetzen. Das macht mir sehr viel Hoffnung.

Interview: Daniela Prüter

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